
Sie haben wahrscheinlich schon mitbekommen, dass der Umsatzsteuersatz temporär (vom 01.07.2020 bis 31.12.2020) von 19 % auf 16 % bzw. von 7 % auf 5 % abgesenkt wird.
Sie fragen sich wahrscheinlich, was das konkret für mein Unternehmen, meine Rechnungsschreibung und Buchhaltung bedeutet. Was muss ich beachten?
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Temporäre Absenkung der Umsatzsteuersätze
1. Grundsätze
Wenn gelten welche Steuersätze:
Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes
Bis 30.06.2020
Vom 01.07.2020 bis 31.12.2020
Ab 01.01.2021
Regelsteuersatz/ ermäßigter Steuersatz
19%/7%
Bei Restaurationsumsätzen gelten besondere Regelungen (bis 30.06.2020 19%, ab 01.07.2020 bis 31.12.2020 5%, ab dem 01.01.2021-30.06.2021 7% und ab 01.07.2021 19%).
Entscheidend ist der Tag der Ausführung des Umsatzes.
Nicht relevant für die Bestimmung des Steuersatzes ist der Zeitpunkt der Zahlung, Rechnungsstellung, Vertragsabschlusses oder ob Sie Soll oder Ist-Besteuerung anwenden.
Grundsätzlich gilt Folgendes:
Lieferungen
Eine Lieferung wird an dem Tag ausgeführt, an dem die Ware dem Kunden zur freien Verfügung überlassen wird (Übergang der Verfügungsmacht).
- Beim Ladenverkauf ist das der Tag der Übergabe der Ware
- Beim Versandhandel/ Online Handel – der Tag an dem die Ware an das Beförderungsunternehmen (DPD/ DHL etc.) bzw. Spediteur übergeben wird
- Bei einer Abhollieferung – Tag der Abholung/ Übergabe an den Kunden bzw. dessen Bevollmächtigten
HINWEIS – Online –Handel: Versandzeitpunkt bestimmen
Insbesondere beim Online Handel sollte ein Tag festgelegt werden, ab dem die eingehenden Bestellungen nicht mehr vor dem 01.07.2020 versandt werden. Z.B. die Bestellungen, die ab dem 29.06.2020 eingehen werden erst am 01.07.2020 an die Post/Paketdienst übergeben. Die Rechnungen ab dem 29.06.2020 werden mit dem Steuersatz von 16%/5% ausgestellt.
So haben Sie eine klare Abgrenzung zwischen den einzelnen Zeiträumen.
Dienstleistungen
Leistungen werden zum Zeitpunkt Ihrer Vollendung ausgeführt. Das ist der Tag an dem die letzte Handlung im Zusammenhang mit dem Auftrag getätigt wird.
Achtung: Rechnungsschreibung gilt nicht als letzte Handlung!
HINWEIS – der Zeitpunkt der letzten Handlung bestimmen
Durch die Bestimmung des Zeitpunktes, wann die letzte Handlung bei einem Auftrag ausgeführt wird, kann man beeinflussen, ob bereits der niedrigere Steuersatz anwendbar ist.
So kann ggf. der Steuervorteil für die noch offenen Aufträge an die Endkonsumenten weitergegeben werden.
Innergemeinschaftliche Erwerbe
Die Umsatzsteuer für einen innergemeinschaftlichen Erwerb entsteht mit Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Monats.
Unentgeltliche Wertabgaben (Eigenverbrauch: PKW Nutzung, Warenentnahmen etc.): Die Umsatzsteuer für unentgeltliche Wertabgaben entsteht wie bei entgeltlichen Lieferungen oder Leistungen dann, wenn die Leistung erbracht wird.
Sachverhalte, die dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegen (§13b Umsätzen): Es kommt auf den Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes — Lieferung oder Leistung.
Teilleistungen
Wird eine Leistung in mehreren abgeschlossenen Abschnitten (Teilleistungen) erbracht, ist der Zeitpunkt der Vollendung jedes Abschnittes entscheidend. Damit eine Teilleistung vorliegt- muss die Leistung wirtschaftlich sinnvoll abgrenzbar sein und es muss eine Vereinbarung über die Ausführung der Leistung in Teilleistungen vorliegen.
2. Besondere Fälle
Anzahlungen oder Vorauszahlungen
Auch bei Anzahlungen ist der Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes und nicht der Zahlung oder Ausstellung der Anzahlungsrechnung entscheidend.
Wird eine Anzahlungsrechnung mit der „falschen“ Umsatzeuer ausgestellt, weil z.B. zum Zeitpunkt der Ausstellung der Anzahlungsrechnung noch ein anderer Steuersatz als zum Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes galt, muss die Anzahlungsrechnung nicht korrigiert werden.
Die Korrektur der Umsatzsteuer ist in der Schlussrechnung durchzuführen, indem die Umsatzteuer aus der Anzahlungsrechnung offen von der gesamten Umsatzsteuer in Schlussrechnung herabgesetzt wird.
Kann der Unternehmer absehen, dass die Leistung nach Änderung des Steuersatzes aufgeführt wird, kann er die Anzahlungsrechnung bereits mit dem neuen Steuersatz ausstellen.
Dauerleistungen
Bei Dauerleistungen wie z. B. Mietverträge, Leasingverträge, Handyverträge liegen i.d.R. Teilleistungen vor. Somit gilt der für den jeweiligen Leistungsmonat maßgeblicher Steuersatz. Leasing-Sonderzahlungen sind zu zerlegen und aufzuteilen.
HINWEIS – Vertragsänderungen anfordern!
Gerade bei Dauerleistungen, die im Rahmen von Teilleistungen ausgeführt werden(z. B. Mietverträge, Leasingverträge), muss auf eine Anpassung und Korrektur der Abrechnungen (Verträge, Dauerrechnungen etc.) geachtet werden.
Wird hier keine Korrektur vorgenommen, wird die überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet. Es besteht aber kein Anspruch auf Vorsteuerabzug auf den höheren Betrag.
Jahresleistungen: Jahreskarten, Abonnements, Lizenzen o. ä.
Der Steuersatz ist relevant, der am Ende des vereinbarten Zeitraums gilt. Die Umsatzsteuer ist jedoch bereits bei der Zahlung (i.d.R. am Anfang des Leistungszeitraums) fällig.
Die bestehenden Jahresverträge sollen geprüft werden, ob diese ggf. im Zeitraum zwischen dem 01.07.2020 und 31.12.2020 enden. Ist das der Fall, sollte die Umsatzsteuer korrigiert werden.
Z.B. Ein Kunde hat ein Jahresabonnement am 01.01.2020 für 1.190€ (1.000€ netto + 19%) gekauft. Hierfür wurde die Umsatzteuer von 19% bei Zahlung abgeführt. Ende des Leistungszeitrums fällt auf den 31.12.2020. Der zu diesem Zeitpunkt gültiger Umsatzsteuersatz beträgt 16%.
Somit muss die Umsatzsteuerkorrektur gemacht werden, da statt 119€ nun 141€ (16% aus dem gezahlten Betrag von 1.190€) ans Finanzamt abzuführen sind.
Bei Zeitungsabonnements gilt eine Aufteilungspflicht entsprechend der vertraglichen Zeitpunkte.
10er-Karten u. ä. (z. B. bei Yogastudios) stellen eine Vorauszahlung für Teilleistungen dar. Die Umsatzsteuer entsteht bei Zahlung der 10er-Karte. Es ist jedoch der Steuersatz relevant, der zum Zeitpunkt des Abrufes der einzelnen Einheiten gilt. Wird eine Einheit nach dem jeweiligen Steuersatzwechsel verbraucht, erfolgt eine anteilige Entlastung bzw. Nachversteuerung.
HINWEIS – Dokumentation des Abrufs
Es muss entsprechende Dokumentation geführt werden, wann der Kunde die einzelnen Leistungen aus der Karte abgerufen hat, damit ggf. die entsprechenden Umsatzsteuerkorrekturen gemacht werden können.
Bauleistungen
Ein besonderes Problem ergibt sich bei Bauleistungen aufgrund der in der Praxis erfahrungsgemäß vorliegenden langen Ausführungszeiten. Bei Bauleistungen liegen in der Praxis regelmäßig nicht die Voraussetzungen für Teilleistungen vor. Es werden zwar häufig wirtschaftlich abgrenzbare Leistungen ausgeführt, überwiegend fehlt es hier aber an einer Vereinbarung von Teilleistungen und der entsprechenden steuerwirksamen Abnahme von solchen Teilleistungen. Dies kann jetzt — je nach Situation — zum Vor- oder Nachteil für die Leistungsempfänger führen.
HINWEIS – Teilleistungen können ggf. nachträglich vereinbart werden
Wurden in einem Vertrag keine Vereinbarungen über Teilleistungen getroffen, beanstandete es die Finanzverwaltung bei früheren Steuersatzänderungen nicht, wenn bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Steuersatzänderung eine entsprechende Vereinbarung nachgeholt wurde. Zumindest wenn es dann wieder zur Anhebung des Steuersatzes auf 19 % zum 01.01.2021 kommt, sollten bei noch nicht vollständig ausgeführten Leistungen für die bis dahin ausgeführten wirtschaftlich abgrenzbaren Leistungen Vereinbarungen für Teilleistungen getroffen werden.
Werden einheitliche Bauleistungen in der Zeit ab dem 01.07.2020 bis 31.12.2020 ausgeführt (i. d. R. ist hier die Abnahme durch den Auftraggeber maßgeblich), unterliegt die gesamte Leistung dem Regelsteuersatz von dann 16 %, unabhängig davon, in welchem Umfang schon (mit 19 %) besteuerte Anzahlungen geleistet worden waren. Entsprechend ist die Leistung dann wieder dem Regelsteuersatz von 19 % zu unterwerfen, wenn die Leistung nach dem 31.12.2020 ausgeführt wird.
HINWEIS – den Zeitpunkt der Leistung gestalten
Soweit Leistungen gegenüber einem nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfänger ausgeführt werden, sollte der Abschluss ggf. — ohne hier eine missbräuchliche Gestaltung vorzunehmen — in die Zeit zwischen dem 01.07.2020 und dem 31.12.2020 gelegt werden. Dazu ist aber notwendig, dass hier tatsächlich nach dem 30.06.2020 noch Arbeiten ausgeführt werden. Eine lediglich verschobene Abnahme einer schon vorher abgeschlossenen Arbeit wird hier nicht anzuerkennen sein — hier muss auf eine ordnungsgemäße Dokumentation geachtet werden.
Jahresbonis
Entgeltänderung durch Jahresbonis bzw. Jahresrückvergütungen o.ä. sind jeweils dem Zeitraum und damit dem Steuersatz zuzurechnen, der für den zugrundeliegenden Umsatz maßgeblich war. Für jahresübergreifende Vergütungen wurde es von der Finanzverwaltung in der Vergangenheit nicht beanstandet, dass die Entgeltsminderung im Verhältnis der steuerpflichtigen Umsätze der einzelnen Jahreszeiträume aufgeteilt wird.
Umtausch, Rückgabe
Beim Umtausch eines Gegenstands wird die ursprüngliche Lieferung rückgängig gemacht. An ihre Stelle tritt eine neue Lieferung. Wird ein vor dem Änderungsstichtag gelieferter Gegenstand nach diesem Stichtag umgetauscht, ist auf die Lieferung des Ersatzgegenstands, der zu diesem Zeitpunkt maßgeblich Steuersatz anzuwenden.
Gutscheine
Generell wird zwischen den Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen unterschieden.
Bei Einzweckgutscheinen steht im Vorfeld die Höhe der Umsatzsteuer fest. Z.B. Wenn der Gutscheinaussteller keine Waren/ Leistungen zu unterschiedlichen Steuersätzen anbietet. Die Umsatzsteuer entsteht dann bereits beim Verkauf des Gutscheins. Das Einlösen des Gutscheins ist umsatzsteuerlich nicht relevant.
Bei Mehrzweckgutscheinen steht die Höhe der Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheines noch nicht fest. In diesem Fall ist die Ausgabe bzw. der Verkauf des Gutscheines umsatzsteuerlich nicht relevant. Die Umsatzsteuer entsteht erst beim Einlösen des Gutscheins, wenn die Leistung ausgeführt wird.
Zurzeit ist es unklar, ob wegen des temporär abgesenkten Steuersatzes überhaupt ein Einzweckgutschein vorliegen kann, da sich in Abhängigkeit von dem Zeitpunkt der Einlösung, eine Umsatzsteuer von 19 % oder 16 % (bzw. 7 % oder 5 %) ergeben kann. Ebenso unklar ist, ob ein in der Vergangenheit mit (19%/7%) ausgestellter Einzweckgutschein, bei Einlösung unter den Bedingungen des abgesenkten Steuersatzes zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage führen kann.
Es wird die Stellungnahme der Finanzverwaltung erwartet.
HINWEIS – Gutscheinbedingungen ggf. anpassen, Gutscheine ohne Umsatzsteuer ausstellen
Zumindest in der Übergangsphase zu den abgesenkten Steuersätzen (zum 01.07.2020) sollten die Bedingungen für Gutscheine so gefasst werden, dass es sich eindeutig um Mehrzweckgutscheine handelt. Dies führt erstens nicht zu einer Vorfinanzierung der Umsatzsteuer und zweitens auch dann nur bei Ausführung einer Leistung zur Anwendung des dann für diese Leistung maßgeblichen Steuersatzes.
3. Konsequenzen bei nicht richtig ausgewiesener Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug
Wird die Umsatzteuer zu niedrig ausgewiesen, schuldet der Leistender nicht die ausgewiesene sondernd die zutreffende Umsatzsteuer. Der Leistungsempfänger kann nur den in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag als Vorsteuer geltend machen.
Wird eine zu hohe Umsatzsteuer in der Rechnung ausgewiesen, schuldet der Leistender auch den überhöht ausgewiesenen Steuerbetrag. Der Empfänger kann aber nur die Umsatzsteuer in der gesetzlich richtigen Höhe und nicht den zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrag als Vorsteuer abziehen.
HINWEIS – Nichtbeanstandungsregelung der Finanzverwaltung ggf. beachten
Es wird eine Regelung von der Finanzverwaltung erwartet, wonach es nicht beanstandet werden sollte, wenn der Leistungsempfänger den vollen (alten) gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag als Vorsteuer abzieht, wenn der leistende Unternehmer die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer abführt.
4. Organisatorische Maßnahmen
- Anpassung der Auszeichnung der Waren sowie der Warenwirtschaftssysteme
- Die Vorlagen/ Formulare für die Ausgangsrechnungen müssen in Ihrer Software an die neuen Steuersätze angepasst werden.
- In der Buchführung sind neue Konten für die Verbuchung der neuen Steuersätze anzulegen. Ggf. sind auch die Konten in den Schnittstellen anzupassen.
- Die Eingangsrechnungen sollten sorgfältig geprüft werden, ob diese die richtigen Steuersätze ausweisen. Es müssen hierzu ggf. entsprechende Prozesse implementiert werden.
- Elektronische Kassensysteme müssen an die neuen Steuersätze angepasst werden.
5. Wirtschaftliche Überlegungen
Wenn Sie Leistungen gegenüber anderen zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmern abrechnen– müssen nur die organisatorischen Aspekte beachtet werden.
Wenn Leistungen gegenüber Endkonsumenten erbracht werden, stellt sich die Frage, ob die Steuerersparnis durch Absenkung des Steuersatzes an die Kunden weitergegeben werden. Sollten die Endverbraucher von der Steuersatzsenkung profitieren, sollte bereits jetzt die Vollendung der Leistung auf den Zeitpunkt nach dem 01.07.2020 gelegt werden.
Die Absenkung der Umsatzsteuer kommt überraschend und muss nun innerhalb von kürzester Zeit umgesetzt werden. Man sollte sofort beginnen, die Umsetzung anzugehen, damit die Prozesse auch ab dem 01.07.2020 reibungslos fortgeführt werden können.
Ich hoffe Sie haben hierdurch einen Überblick über die bevorstehenden Änderungen bekommen.
Sollte Sie vor einem Problem stehen, das hier beschrieben wurde, oder Sie sind sich nicht sicher, wie Sie in Ihrem Fall die Steuersenkung umsetzen sollen, kontaktieren Sie mich gerne.